22. Dezember…

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Wie schnell der Advent vergeht… unser drittletztes Türchen für dieses Jahr ist Angie. Und sie erzählt Ihre Geschichte anhand einer Rede zu einem wirklich schönem Ereignis. Die Rede ist zwar etwas länger, aber Angie bat uns, den Text ungekürzt und uneditiert zu veröffentlichen, was wir hiermit gerne tun. Also nehmt Euch ein paar Minuten Zeit, denn dem Anlass entsprechend ist der Text sehr festlich und liebevoll verfasst. Viel Freude beim Lesen ?

Hallo Ihr Lieben,

heute darf ich mich vorstellen. Ich heiße Angie, bin 27 Jahre jung und komme aus dem schönen Schneeberg (Erzgebirge), welches sich gerade in der Weihnachtszeit von seiner besten Seite präsentiert.

Meine Geschichte möchte ich euch gern mittels einer Dankesrede erzählen. Diese habe ich zum Anlass der Feier meines neuen Lebens (gleichzeitig die Silberhochzeit meiner Eltern) geschrieben. Es bedeutet mir viel diese Worte mit euch zu teilen, da ich Sie in diesem Sinne auch einer ganz besonderen Person widmen möchte. Zum Gedenken an meine liebe Tante Micky (Michaela), die in der schwersten Zeit meines Lebens immer für mich und ganz besonders auch für meine Mutti da war.

Zum besseren Verständnis gebe ich euch noch ein paar Informationen über meine Person. 😉
Nachdem ich als Säugling zwei Lungenentzündungen innerhalb kürzester Zeit hatte, wurde bei mir die Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose (engl. cystic fibrosis, CF) festgestellt.

Trotz der Erkrankung und den dadurch bedingten immer wiederkehrenden Tiefs ging ich meinen Weg, machte mein Abitur und schloss meine Ausbildung als Sozialversicherungsfachangestellte ab. Doch im Laufe der Zeit ging es mir zunehmend schlechter und ich musste mich mit dem Thema „Lungentransplantation“ auseinandersetzen. Am 5. März 2013 war es dann soweit und mein Leben änderte sich schlagartig. Ich wurde in einer sechsstündigen OP erfolgreich doppellungentransplantiert.

Da bald Weihnachten ist, wünsche ich mir von ganzem Herzen, dass ihr euch von den vielen Worten der Rede nicht abschrecken lasst, aber meine tiefste Dankbarkeit konnte und wollte ich zu dem damaligen Zeitpunkt einfach nicht anders ausdrücken.
Auch hoffe ich, euch damit einen kleinen Einblick in mein Leben geben zu können und dem ein oder anderen sogar Mut zu machen! Ich wünsche euch allen eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit!

„Ich hätte nie geglaubt mal so vor euch zu stehen und folgendes zu erzählen. Ich war noch ein Kind, hatte Pläne und Träume und war der festen Überzeugung mich mal nie transplantieren zu lassen, weil ich erstens nicht dran geglaubt habe, dass sowas wirklich auf mich zukommen könnte und ich zweitens höllische Angst vor jeglichen Operationen hatte. Doch dann musste auch ich schmerzlich feststellen, dass das genauso real ist, wie es Einhörner und Feen sind. Ich erlebte, wie fast alles was ich mir aufgebaut hatte nach und nach wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel.

Irgendwann beschlossen meine Eltern und ich eine CF-Ambulanz mit mehr Erfahrung aufzusuchen. Uns trieb es nach Berlin. Als ich dort das erste Mal aufschlug und über den Gang lief, kamen mir die Ersten mit Sauerstoff entgegen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie man damit leben kann. Das muss doch nervig sein. Es dauerte nicht lange und ich war diejenige, die mit einem tragbaren Sauerstoffgerät herumlief und zwei hochexplosive Tonnen Flüssigsauerstoff bei sich zu Hause herumstehen hatte. Aber eins kann ich mit Gewissheit sagen, auch wenn es am Anfang nervig ist und ich immer mal wieder keinen genommen habe, so nach dem Motto: „Geht doch und wozu soll ich das jetzt brauchen?“.

Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich anfing die ganze Sache zu mögen und es freiwillig zu nehmen. Auch die Zahl der Liter stieg stetig an, weil es ohne einfach gar nicht mehr ging. Ich war also von der Kapazität eines kleinen Gerätes auf meinem Rücken abhängig. Ich war kaum noch zu Hause, da ich meinen Zweitwohnsitz mittlerweile in der Charité hatte.

Als ich wieder über den Gang lief, kamen mir welche im Rollstuhl entgegen und scheinbar war schon das Sitzen enorm anstrengend für diese teilweise noch sehr jungen Menschen. Und wieder dauerte es nicht lange und auch ich hatte so einen zusätzlichen fahrbaren Untersatz. Ein Motorrad und Auto waren scheinbar nicht genug. Na gut, auch daran gewöhnte man sich mit den richtigen Menschen und sogar das Spazierengehen machte auf einmal wieder Spaß. Doch irgendwann war schon das Sitzen eine Belastung für meine Lunge und meinen Körper, durch die immer zunehmende Luftnot und diese ständigen Hustenanfälle. Es zerrte sehr an meinen Kräften und ich fing an immer mehr nachzudenken. Ich redete mir ein, dass ich, wenn ich kein CF hätte, nicht der Mensch sei, der ich jetzt bin. Teilweise funktionierte es auch, aber immer wieder brach ich heulend zusammen und wollte einfach nur, dass diese ganze Quälerei aufhörte. Ich wollte diese schmerzhaften Hustenanfälle, die ständige Luftnot und die abfälligen Blicke und Bemerkungen mancher Menschen einfach nicht mehr ertragen! In diesen zwei Jahren Berlin habe ich viele sterben sehen. Jedes Mal, wenn ich nach vier Wochen zu Hause, wieder oben einzog, ist jemand anderes von uns gegangen. Im Januar 2012 eine sehr gute Freundin von mir. Es ist hart, das miterleben zu müssen und ich habe mir irgendwann die Frage gestellt: „Wann bin ich wohl an der Reihe?“. Davor hatte ich aber komischer Weise keine Angst. Es könnte doch eigentlich nur besser werden oder? Ich konnte mich mit dem Tod eher anfreunden, als mit dem Gedanken so weiterleben zu müssen. Denn das wollte ich auf keinen Fall, schließlich wurde das Equipment in, an und außerhalb meines Körpers immer mehr. Das war doch kein Leben von einem jungen Menschen, sodass ich gegen meine Kindheitsüberzeugung beschloss mich listen zu lassen. Meine eine Ärztin beschrieb die Transplantation als Russisch Roulette, man setzt alles auf eine Karte. Es kann grundlegend besser werden, es erfolgt keine großartige Änderung oder die letzte Option, ich setze meinem Leben vorzeitig ein Ende! Aber auch das schreckte mich nicht ab. Mir war es einfach nur wichtig, dass irgendetwas passierte, denn so konnte es nicht weitergehen.

Die Ärzte klärten mich auch über lebenserhaltene Maßnahmen auf, zum Beispiel die Herz-Lungen-Maschine. Ich stimmte zu, ohne zu wissen, dass diese Maschine eine Woche später das sein sollte, das mich noch am Leben hielt. Ich kann nicht genau sagen, ob ich innerlich schon aufgegeben hatte, aber eins weiß ich genau, wenn ich noch einen Funken Lebensmut in mir hatte, dann ist dieser durch meine Familie und den Leuten, die auch in dieser Zeit bei mir waren, mit mir geredet haben, meine Hand gehalten haben, obwohl ich gar nicht mehr in der Lage war großartig zu reagieren, entfacht worden und ich habe weiter gekämpft. Solange bis mir ein riesengroßes Geschenk gemacht wurde, von einem Menschen, der nie wissen wird, dass er mir das Leben gerettet hat. Ich werde wohl nie erfahren wer dieser Mensch war, aber ich habe etwas von diesem Menschen bekommen und das ist der Grund warum ich ihn als ein Teil von mir betrachte. Das mag für euch vielleicht komisch klingen, aber mir hilft es.

Als ich 2012 meine Freundin sah, wie es ihr immer schlechter ging, sah ich auch ihre Familie, die sie nicht alleine ließ! Ich stellte mir vor, wie es bei mir sein könnte und bekam Angst, Angst davor allein zu sein in solch einer Zeit, denn meine Familie musste ja arbeiten und nach Berlin ist es auch nicht grad ein Katzensprung. Ich wollte nach der OP nicht aufwachen und keiner ist bei mir. Das war eine schreckliche Vorstellung, die sich zum Glück aber nicht bewahrheitete. Ich habe nämlich die beste Familie überhaut! Eine, die mich liebt, so wie ich bin! Und ihr kennt mich alle, nicht gerade der einfachste Mensch, gerade wenn´s mir schlecht geht. Selbst auf der ITS oder mit Tubus konnte ich noch ziemlich gut „rumspeckern“. Typisch ich halt!

Ich möchte auf diesem Weg jedenfalls ein riesengroßes Danke aussprechen, an alle Personen, die immer für mich da waren. Dabei sind auch die Ärzte, Schwestern, Pfleger und Psychologen nicht zu vergessen! Selbst als ich dann im Deutschen Herzzentrum lag. Vor allem standen sie meinen Eltern bei! Ich hatte vorher viele, die sagten: „Ich bin immer für dich da, du kannst auf mich zählen!“. Aber in der größten Not kristallisieren sich die heraus, die zu ihren Worten stehen! Viele begründeten ihre Abwesenheit damit, dass sie Angst hatten sich zu melden; sie könnten ja etwas Schlimmes erfahren. Da haben sie es lieber gleich sein lassen. Naja, muss auch jeder selber wissen! Ich schätze auf jeden Fall die Menschen, die sich nicht abschrecken lassen haben, denn diese haben Stärke bewiesen, zu mir gestanden und mir einen Teil ihrer Stärke zur Verfügung gestellt!

So gibt es zum Beispiel eine Frau, die geschlagene zwei Tage und Nächte an meinem Bett auf der ITS gewacht hat, weil es zu dem Moment gerade kritisch war, meine Eltern aber zu Hause wichtige Dinge klären mussten und mich nicht ganz alleine lassen wollten. Ich glaube schlafen konnte sie nicht! Danke!

Ein großer Dank geht auch an einen Mann, der sich um die Pflichterfüllung, die beim Auto alle zwei Jahre anfällt, gekümmert hat. Auch in schweren Zeiten dürfen nämlich die alltäglichen Pflichten nicht vergessen werden.

Eine sehr liebe Freundin hat sogar mehrmals eine sechsstündige Zugfahrt direkt nach der Arbeit auf sich genommen, nur um mich für anderthalb Stunden zu sehen. Bloß das mit dem Sprechen wurde etwas schwierig, ich hatte es irgendwie bevorzugt zu schlafen. Aber ich habe eine sehr gute Ausrede… die „Drogen“ waren schuld. Danke, dass du trotzdem da warst!

Auch eine Arbeitskollegin hat mich nicht vergessen. Sie erkundigte sich täglich nach meinem Zustand, aber bekam natürlich immer nur meine Mama ans Telefon. Ich Drückeberger wieder. Danke!

Wen ich auch gern erwähnen möchte, sind die Personen, die sich etwas ganz tolles einfallen lassen haben. Nämlich zwei Herzen, in denen sich alle Besuche schriftlich festhalten konnten, damit ich wusste, dass ich nicht alleine bin! Eine wundervolle Idee und bleibende Erinnerung! Jedes Mal, wenn ich kurz vorm Aufgeben war, las ich mir alles durch und lächelte! Danke!

Da ja auch Stupsi und Chilli versorgt werden mussten, geht ein großes Danke an zwei Menschen, die früh nach der Nachtschicht auf einmal unsere Schlüssel im Briefkasten vorfanden und sofort liebevoll die Raubtierfütterung übernahmen. Auf euch ist Verlass!

Stellt euch vor, es gab sogar einen, der hielt sich dem 5.3. mal bildlich durch eine Behörde fest, nachdem er in einer Nacht nach Hause und wieder nach Berlin gefahren ist! Bin ich wohl nicht die einzige, die gerne Auto fährt! Danke dir! Ich habe dich ganz sehr lieb und bin froh, dass es dich gibt!

Nicht zu vergessen ist eine Frau, die bei -5 Grad die ganze Nacht mit meiner Mama durch den Park gelaufen ist und ihr irgendwann sogar schon das zu einem Eiszapfen mutierte Handy aus der Hand nehmen musste. Ein Glück, ich hatte es warm. Ein riesengroßes Danke an dich! Hex Hex

Dann gibt es da noch eine kleine Maus, die mit ihren zweieinhalb Jahren schon ihre Berufung gefunden hat. Eine liebevolle kleine Krankenschwester, die sich wohl mal auf Rehabilitationspatienten spezialisiert. Einfach nur zuckersüß! Ich liebe sie!

Danken möchte ich auch einem jungen Mann, der sich extra eine Mitfahrgelegenheit und einen Schlafplatz in Berlin gesucht hat, nur um bei mir zu sein.

Es ist schön zu wissen, wie viele neben dem Telefon gewacht haben und das nächtelang, bis endlich die erlösende Nachricht mitten in der Nacht kam. Ihr müsst ja neben dem Telefon geschlafen haben, so schnell wie ihr dran wart! Ganz großen Respekt!

Ein riesengroßes Danke geht auch an die total lieben „Putzfeen“, die in meiner Wohnung das Chaos beseitigt haben, sodass ich gesund und munter in ein schönes Zuhause zurückkehren konnte! Und eine Frau, die sich mit meinen Akten rumgestritten hat. War sicherlich nicht ganz einfach.

Auch wenn das Wetter an dem 24.5. nicht gerade das Beste war, so bin ich glücklich und zufrieden so in Empfang genommen worden zu sein!

Auch möchte ich zwei ganz besonderen Menschen Danke sagen! Zwei Menschen, die mich mein bisher ganzes Leben lang unterstützt haben und immer an meiner Seite waren. So viel musstet ihr ertragen und immer wieder stark bleiben, obwohl ihr innerlich am Zerbrechen wart. Ich kann nur sagen, in der Hinsicht hatte ich es einfacher. Ich hätte nicht an eure Stelle gewollt! Denn ich durfte auch mal zusammenbrechen und alles verfluchen, jeder konnte es verstehen! Aber ihr musstet mir zeigen, dass ich es schaffen kann, immer und immer wieder! Ihr hattet es nicht leicht, weil ich teilweise das aussprach, was ich fühlte ohne dabei daran zu denken, wie sehr es euch verletzen könnte! Auch nach der TX musstet ihr mir immer wieder Mut machen. Der Weg war so steinig und schwer, dass ich öfter kurz vorm Aufgeben war. Wenn man mich jetzt so sieht, dann könnte man denken, so ne Transplantation ist nichts, aber es war das Schlimmste, das ich bis jetzt durchmachen musste! Die Abhängigkeit, die Schmerzen… das alles werde ich nie vergessen, aber es wird vermutlich verblassen. Ohne euch hätte ich es nicht geschafft, vorher nicht und danach auch nicht! Ihr habt mir immer im richtigen Moment in den „Arsch“ getreten, das habe ich definitiv gebraucht, um das durchzuziehen! Sonst wäre ich nicht so schnell wieder auf den Beinen gewesen. Und bitte nehmt mir mein Jammern, Fluchen und Veilchen nicht übel! Ich brauchte das, um meinen Frust über die Gesamtsituation abzulassen. Auch jetzt bin ich nicht vollkommene! Was ihr mir am Anfang in den „Arsch“ treten musstet, müsst ihr mich jetzt in meine Schranken weisen, denn ich neige zur Selbstüberschätzung. Und seid mir nicht böse, wenn ich Fehler mache! So wie ich das Laufen wieder neu lernen musste, muss ich jetzt meine Grenzen erlernen! Auch für mich ist das nicht einfach! Ich kann ein ganz anderes Leben führen, im Vergleich zu den letzten drei Jahren. Ich liebe euch!“

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